Im Jahr 2016 war der Verkehrssektor für mehr als 18 Prozent der Treibhausgasemissionen Deutschlands verantwortlich (Quelle). Ein nicht zu missachtender Anteil. Doch vielen Deutschen geht ihr Auto nach wie vor über alles. Allein in Europas größtem Verkehrsclub ADAC sind momentan über 20,18 Millionen Menschen Mitglied. Doch es gibt auch nachhaltige Alternativen wie den VCD. Im Interview mit Eric Kruzycki, dem Regionalkoordinator Rhein-Main, könnt ihr mehr über ihn erfahren. Denn wir finden: Nachhaltige Mobilität verdient noch viel mehr Aufmerksamkeit!
Hallo Eric! Bitte stelle den VCD (Verkehrsclub Deutschland) in einem Tweet (140 Zeichen) vor.
Der VCD setzt sich für eine gerechte & umweltverträgliche Mobilität aller Menschen ein – zu Fuß, mit Rad, Bus, Bahn & Auto. Verkehrswende jetzt!
Welche Ziele verfolgt der Verkehrsclub? Wofür macht ihr euch stark?
Unser Ziel sind weniger Autos auf unseren Straßen. Nicht immer kann man auf das Auto verzichten, daher setzen wir uns für möglichst effiziente und leise Autos ein, die im besten Fall von vielen Menschen genutzt werden: So wenig Auto wie möglich, so viel wie nötig. Verkehr soll außerdem möglichst wenig Ressourcen und Flächen verbrauchen und möglichst wenig krankmachenden Lärm und schlechte Luft verursachen. Wir wollen, dass alle Verkehrsteilnehmer*innen sicher und gesund unterwegs sein können – insbesondere Kinder, ältere und mobilitätseingeschränkte Menschen. Darüber hinaus machen wir uns für eine fußgänger- und fahrradfreundliche Verkehrspolitik und -planung stark. Wir kämpfen für umwelt- und menschenverträgliche Geschwindigkeiten – Tempo 30 innerorts sowie ein Tempolimit auf Autobahnen. Zu unseren Zielen gehört auch ein gut ausgebauter, kundenfreundlicher und solide finanzierter öffentlicher Verkehr.
Was sind eure größten Herausforderungen? Mit wem müsst ihr am meisten diskutieren?
Am meisten diskutieren wir mit der Bundesregierung und den Verkehrspolitikern. Denn ihre politischen Entscheidungen bestimmen maßgeblich, wie sich unsere Mobilität in Zukunft entwickelt. Im Rahmen unserer verkehrs- und umweltpolitischen Arbeit setzen wir thematische Schwerpunkte und erarbeiten konkrete Lösungen für den Verkehr von morgen. Unsere Expert*innen begleiten unabhängig verkehrspolitische Entscheidungsprozesse – damit sind wir eine wichtige Stimme und kompetenter Ansprechpartner, egal ob es um Luftverkehrsteuer, Fahrradförderung, gute Angebote im öffentlichen Nah- und Fernverkehr oder um verbindliche CO2-Grenzwerte geht.
In Deutschland ist das Auto fast ein Heiligtum. Hat die Verkehrswende hierzulande überhaupt eine Chance?
Auch der Verkehr muss zum Klimaschutz beitragen. Deshalb braucht Deutschland die Verkehrswende. Wir müssen unseren Teil leisten, damit das globale Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen erreicht und die Erderhitzung auf nicht mehr als 1,5 Grad begrenzt wird. Beim Verkehr hat die Bundesregierung bisher völlig versagt. Denn ein Viertel der CO2-Emissionen in Deutschland stammen aus dem Verkehrssektor – und es werden immer mehr. Erst Ende November 2018 wurde bekannt, dass die CO2-Emissionen im Pkw-Verkehr seit 2010 um sechs Prozent gestiegen sind – weil die Anzahl der Autos auf unseren Straßen steigt und immer größere und mehr Sprit-fressende Autos verkauft werden. Es ist Zeit für eine Trendwende: Wir müssen umweltfreundliches Reisen für das Klima stärken. Wir brauchen mehr Bahngäste und weniger Pkws.
Gleichzeitig würden viele Menschen in Deutschland gerne auf das Auto verzichten, stoßen dabei aber auf Hindernisse, wie etwa eine nicht vorhandene Infrastruktur für das Fahrrad oder schlechte alternative Mobilitätsangebote im öffentlichen Nahverkehr. Da muss die Politik umsteuern.
Den VCD gibt es seit 1986. Was war seitdem einer eurer größten Erfolge?
Unser größter Erfolg ist draußen auf den Straßen zu sehen: In den Städten sind die Menschen immer öfter ohne Auto mobil. Sie gehen mehr zu Fuß oder entdecken für kurze Strecken das Fahrrad. Zu dieser Entwicklung hat der VCD entscheidend beigetragen. Ein konkreter Erfolg ist sicherlich, dass nach Protestaktionen des VCD die Deutsche Bahn im Jahr 2003 die BahnCard 50 wieder eingeführt und die Preisstruktur vereinfacht hat. Außerdem ist 2011 auf unser Bestreben hin das Fahrgastrechtegesetz in Kraft getreten. Es garantiert den Fahrgästen u. a. eine Erstattung von bis zu 50 Prozent des Fahrpreises bei Verspätung des Zuges.
Wir haben euch auf der Veggienale & Fair Goods Messe in Frankfurt kennengelernt. Dort hattet ihr eine ganz besondere Lösung dabei: das Lastenrad. Welches Konzept steckt dahinter?
Wir waren mit unserem Projekt »Wohnen leitet Mobilität« auf der Messe. Ziel des Projektes ist es, Wohnungsunternehmen, Kommunen und Mobilitätsdienstleister an einen Tisch zu bekommen, damit sie gemeinsam an intelligenten, umwelt- und sozialverträglichen Mobilitätskonzepten für Wohnquartiere arbeiten. Das Lastenrad ist eines von zahlreichen Möglichkeiten, umweltfreundliche Mobilität am Wohnstandort zu etablieren, denn es hebt die Notwendigkeit eines eigenen Pkw auf. Mithilfe eines solchen Rades lassen sich problemlos schwere Einkäufe oder kleinere Transporte bewältigen. Bewohner*innen können sich ein Lastenrad teilen oder auf einen Verleih zurückgreifen. Der VCD Frankfurt-Rhein-Main hat z. B. mit main-lastenrad.de ein kostenloses Lastenradverleihsystem in der Mainmetropole geschaffen.
Ihr seid ein gemeinnütziger Verein und bei der Umsetzung eurer Projekte oft auf Drittmittelgeber angewiesen. Wer sind diese, wie findet ihr sie und wonach wählt ihr sie aus?
Unsere Drittmittelgeber sind beispielsweise die European Climate Foundation (ECF), das Umweltbundesamt (UBA) oder das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU). Wenn wir Drittmittel beantragen, schauen wir, welche Fördertöpfe zu unseren Projekten passen, wer also unser Projekt für unterstützenswert halten könnte. Darüber hinaus müssen die Drittmittelgeber auch unseren Satzungszielen nahestehen.
Wie stellt ihr sicher, parteipolitisch unabhängig zu bleiben?
Der VCD ist keine parteinahe Organisation. Wir vertreten unsere Positionen gegenüber allen demokratisch verfassten Parteien mit Ausnahme der AfD. So haben wir beispielsweise in diesem Jahr die Fraktionen von CDU/CSU, SPD, Grünen, Linken und FDP zu parlamentarischen Frühstücken eingeladen und dort intensiv mit ihnen diskutiert.
Wie können euch Interessierte kennenlernen oder unterstützen?
Am besten schauen Interessierte einfach mal auf unserer Webseite vcd.org vorbei, um einen ersten Eindruck von uns zu bekommen. Auf unseren Social Media-Kanälen (Facebook, Twitter, Instagram) halten wir die Menschen außerdem immer über unsere Arbeit auf dem Laufenden. Hier informieren wir auch über geplante Aktionen, auf denen man uns natürlich auch kennenlernen kann. Interessierte können sich darüber hinaus kostenfrei unsere Toolbox bestellen, mit Infos und Know-How zur Rückeroberung der Straße. Wer unsere Ziele für unterstützenswert hält, ist herzlich eingeladen zu spenden oder Mitglied bei uns zu werden, um somit unseren politischen Forderungen einen größeren Rückhalt zu geben.
Kurz und knapp zusammengefasst: Welche fünf Tipps für klimafreundlichere Mobilität kannst du unseren bettervestoren mit auf dem Weg geben?
- Öfter mal aufs Rad steigen – Das schont nicht nur das Klima, sondern hält auch noch fit!
- In der Stadt multimodal unterwegs sein – Das heißt, es braucht kein eigenes Auto: Mit Bus & Bahn, Bike- und Carsharing sowie zu Fuß kommt man schnell, kostengünstig und dazu noch umweltfreundlich ans Ziel.
- Die Bahn nehmen – Für viele Fernreisen gibt es attraktive Verbindungen auf der Schiene. Flugreisen dagegen sind für die eigene CO2-Bilanz fatal.
- Kinder in ihrer eigenständigen Mobilität stärken – Denn unsere Kinder sind die Zukunft! Das geht zum Beispiel mithilfe unseres Projektes „Zu Fuß zur Schule und zum Kindergarten“.
- Sich vor Ort engagieren – Inspiration und Anleitungen stellen wir auf unserer Online-Plattform zur Rückeroberung der Straße bereit.
Vielen Dank für das Interview!
Bildquellen: VCD & Gitti La Mar
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