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Frauen und Finanzen passen nicht zusammen? Von wegen!

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Finanzen und Geld sind Themen, die uns alle angehen. Schließlich muss jeder von irgendetwas leben und das Leben finanzieren. Doch ganz gleich gehen verschiedene Geschlechter scheinbar doch nicht an dieses Thema heran. Erfahrt im Interview mit Claudia Müller vom Female Finance Forum, welchen Zugang Frauen zu Finanzen haben und wie sie diesen mit ihrem Angebot verbessert.

 

Hallo Claudia! Bitte stelle uns das Female Finance Forum in einem Tweet (140 Zeichen) vor.

Im Female Finance Forum lernen Frauen den Umgang mit Geld und Finanzprodukten. Geldanlage kann Spaß machen, wenn wir es gemeinsam angehen!

 

Wie bist du auf die Idee gekommen, dich mit dem Thema Finanzen für Frauen zu beschäftigen und dein Wissen zu vermitteln?

Bevor ich mich selbständig gemacht habe, war ich bei der Deutschen Bundesbank für das Thema nachhaltige Geldanlage zuständig. Ursprünglich wollte ich mich der Bildung in diesem Bereich widmen: Wie lege ich mein Geld nachhaltig an? Im Gespräch mit vielen Menschen habe ich jedoch immer wieder festgestellt, dass die Leute ihr Geld nur nachhaltig anlegen können, wenn sie bereits wissen, wie sie Geld anlegen. Das Grundlagenwissen zur Geldanlage muss also vorher gegeben sein. Und dann sagte eine Freundin zu mir: „Ich lese mich gerade in das Thema Finanzen ein. Es nervt mich total, dass das alles Männer sind: Die Autoren, die Experten, die Journalisten. Warum gibt es da nicht mehr von Frauen für Frauen?“ So ist die Idee zum Female Finance Forum entstanden.

 

Welche persönliche Verbindung hast du zum Thema Geld?

Für mich ist Geld ein Mittel zum Zweck. Es bringt Lebensqualität, es bringt Entscheidungsfreiheit, und es bringt Gestaltungsmöglichkeiten. Durch mein Geld kann ich Projekte unterstützen, die mir am Herzen liegen. Ich kann Menschen eine Freude machen. Ich kann die Welt nach meinen Vorstellungen prägen.

Ich habe die Vision einer Gesellschaft, in der alle Menschen die gleichen Möglichkeiten zur Teilhabe und zur Prägung dieser Gesellschaft haben. Dafür brauchen wir Geld – zumindest, solange wir in unserem Wirtschaftssystem leben. Mein Ziel ist, allen Menschen die Spielregeln beizubringen, damit alle die gleichen Chancen haben, mitzuspielen. Dabei gibt es aber nicht nur einen Gewinner – letztendlich ist es ein kooperatives Spiel, in dem es allen besser geht, wenn alle die Spielregeln kennen, sich an diese halten, und aktiv das Spiel weiterentwickeln.

 

Dein Angebot richtet sich nur an das weibliche Geschlecht. Warum ist es nötig, eine Finanzplattform ausschließlich für Frauen anzubieten? Sind wir nicht alle auf dem gleichen Bildungsstand?

Der Bildungsstand zum Thema Finanzen ist bei uns allen ähnlich – vor allem ähnlich niedrig. Unwissen und Unsicherheit führen bei vielen von uns dazu, dass wir die Augen verschließen und nicht handeln, weil wir denken, dann machen wir zumindest nichts falsch. Für uns Frauen sind die Auswirkungen von dieser Vermeidungsstrategie allerdings ungleich gravierender: Wir sind diejenigen, die häufiger Verdienstausfälle aufgrund von Eltern- oder Pflegezeit haben. Wir sind diejenigen, die häufiger in Teilzeit, in befristeten Jobs oder in Mini-Jobs arbeiten. Dies überträgt sich direkt auf die Rente, die bei Frauen nur etwa die Hälfte von der von Männern beträgt; 2016 lag die durchschnittliche Rente von Frauen in Deutschland bei etwas über 800€.

Es gibt also inhaltliche Unterschiede: Die Frage, wie ich mit kleinem Gehalt investieren kann, ist für Frauen häufiger relevant als für Männer. Und auch die höhere Lebenserwartung von Frauen muss berücksichtigt werden.

Hinzu kommen Unterschiede in der Ansprache. Frauen verlassen sich gerne auf Empfehlungen von anderen Frauen. Solange der Finanzsektor stark männlich dominiert ist und wir kulturell nicht über Geld reden, wird dieser Bedarf kaum gedeckt. Im Female Finance Forum schaffe ich den Raum, in dem Frauen sich unter Gleichgesinnten austauschen und weiterbilden können. Hinzu kommt, dass ich keine Produkte verkaufe. Ich biete ein komplett neutrales Bildungsangebot. Ich möchte, dass Frauen verstehen, was sie tun können und warum sie dies tun sollten.

Claudia Müller Interview Vorschaubild
Mit Klick auf das Bild gelangt ihr zu einem Interview mit Claudia Müller für WISO.

 

Wem empfiehlst du eine Teilnahme am Female Finance Forum? An wen richtet sich dein Angebot?

Interessanterweise betrifft das Thema der (mangelnden) finanziellen Bildung alle Einkommens- und Bildungsprofile. Daher richtet sich mein Angebot an alle Frauen, die sich mit dem Thema befassen; von der 20- bis zur 65-jährigen Frau habe ich schon alle in meinen Workshops gehabt.

Ich biete mein Angebot aber auch für Firmen an. Diese können sich so als gute Arbeitgeber positionieren und mehr Frauen für sich gewinnen – Stichwort Fachkräftemangel. Zudem gibt es Studien, die zeigen, dass finanzielle Sorgen eine große Ablenkung bei der Arbeit sein können. Ich konnte schon einige große Konzerne und auch Gewerkschaften für mein Angebot begeistern.

 

Der Kern deines Angebotes sind Workshops. Wie laufen diese bei dir ab und was nehmen Teilnehmerinnen mit nach Hause?

Meine Veranstaltungen sind sehr lebens- und praxisnah. Die Workshops dauern 2,5 Stunden und finden nach der Arbeit statt. Die Teilnehmerinnen erhalten geballtes Wissen in verständlicher Sprache übermittelt. Zudem gibt es Arbeitsunterlagen, mit deren Hilfe sie bereits während des Workshops ihre individuelle Situation analysieren und sich ihren persönlichen Plan aufstellen können. Denn es gibt keine Lösung, die für alle Menschen und ihre jeweiligen Lebenssituationen gleichermaßen passt. Am Ende des Workshops hat jede Frau ihre eigenen nächsten Schritte ausgearbeitet und weiß auch, wo sie ggf. noch weiterführende Informationen finden kann. Zudem gibt es dann die Online-Gemeinschaft, um sich gegenseitig weiter zu unterstützen und am Thema dranzubleiben.

 

Du hast schon so einigen Frauen beim Thema Geld auf den Zahn gefühlt. Welche typischen Probleme im Umgang mit ihren Finanzen fallen dir hierbei immer wieder auf?

Es kommt ganz häufig vor, dass die Frauen keinen Überblick haben, was eigentlich auf ihrem Konto passiert. Da empfehle ich, für drei Monate ein Haushaltsbuch zu führen. Es gibt keinen besseren Weg, um zu verstehen, wo ich finanziell stehe. Basierend darauf kann ich mir dann ein Budget erstellen, in dem ich einen fixen Anteil meines Einkommens direkt als Sparquote einplane. Und mit dieser Sparquote baue ich mir einen Notgroschen auf, der mich drei bis sechs Monate lang ernähren kann. Dieser Notgroschen gibt mir das nötige Polster, um im Notfall meinen Job kündigen oder meine Beziehung verlassen zu können. Er hilft mir aber auch, falls mein Auto und meine Waschmaschine gleichzeitig kaputt gehen.

Dies sind die ersten Schritte, die ich empfehle. Erst danach fange ich an, mir über Geldanlage Gedanken zu machen. Hier ist gut zu wissen: Ich muss nicht reich sein, um zu investieren. Das geht bereits ab 25€ im Monat. Ich muss aber investieren, damit es später reicht.

 

Was unterscheidet das Female Finance Forum von herkömmlichen Finanzberatern?

Frau Geld Rechnung Taschenrechner

Der größte Unterschied liegt darin, dass ich im Female Finance Forum keine Produkte verkaufe, sondern bilde. Damit bin ich komplett unabhängig und kann wirklich meine Kundinnen in ihrem besten Sinn beraten, ohne eine eigene Agenda zu haben. Dies ist etwas, was mir immer wieder als Kompliment zurückgegeben wird: Die Frauen haben viel zu häufig das Gefühl, dass ein herkömmlicher Finanzberater ein eigenes Interesse hat und dadurch nicht wirklich unabhängig berät. Es ist dann doch ein Verkaufsgespräch, und kein reines Beratungsgespräch. Dieses Gefühl kann bei mir gar nicht aufkommen.

 

Du hast auch Erfahrung im Bereich „Green Finance“. Welche Tipps kannst du Frauen (& vielleicht auch Männern) hierfür geben? Wo fängt man an, seine Finanzen grüner zu gestalten?

Der erste, direkte Schritt ist die Wahl meiner Bank. Welcher Bank vertraue ich mein Geld an? Was tut diese Bank mit meinem Geld? Da gibt es in Deutschland inzwischen sehr gute nachhaltige oder ethische Banken.

Der nächste Schritt sind dann meine Investitionen. Ich kann gezielt in grüne Projekte oder grüne Fonds investieren. Damit fördere ich durch mein Geld die Dinge, die mir am Herzen liegen, und mache selbst auch dabei Gewinn.

Es ist alles gar nicht so kompliziert, wie es manchmal erscheint. Die Hauptsache ist, sich mit dem Thema zu befassen, sich einzulesen, und dann aktiv zu werden. Schritt für Schritt.

 

Vielen Dank für das Interview!

 

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