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Kenia und Covid-19

Sehr geehrte Investoren,

mit Ihrer aktiven Unterstützung haben wir zahlreiche nachhaltige Projekte in Kenia finanziert. Die Frage, wie die Covid-19 Pandemie in dem ostafrikanischen Land verläuft und wie diese sich auf die Bevölkerung und die wirtschaftlichen Verhältnisse auswirkt, beschäftigt uns daher sehr.

Aus diesem Grund hat bettervest einen Newsletter mit Fokus auf Kenia und Covid-19 für Sie erstellt. Gleichzeitig stellt dieser Newsletter den Start für eine neue Newsletter-Reihe zu Sachthemen rund um das Thema nachhaltige Finanzierung dar, die nun in regelmäßigen Abständen erscheinen wird.

Für unsere Recherche haben wir einige Unternehmen sowie eine Anwaltskanzlei vor Ort befragt. Die Ergebnisse möchten wir mit unseren Investoren teilen. Zuerst ein paar Worte über die wesentlichen volkswirtschaftlichen Entwicklungen im Land.

Ist die kenianische Wirtschaft womöglich weniger betroffen als die deutsche?

Kenia stand Eingangs der Krise relativ gut dar. In 2019 war die Wirtschaft um 5,4% gewachsen und für 2020 wurde sogar mit einem Wachstum von 6,1% gerechnet. Die Staatsverschuldung lag mit ca. 60% der jährlichen Wirtschaftsleistung auf einem gesunden und mit Deutschland vergleichbaren Niveau (Quelle: Weltbank).

Wie in allen Ländern der Welt haben sich die Prognosen für sämtliche volkswirtschaftlichen Kennzahlen bedeutend verschlechtert. Aber auch hier fällt der Vergleich zwischen Kenia und Deutschland überraschend mild aus. Während in Deutschland die Wachstumsprognose für 2020 auf -6,0% gesenkt wurde, erwarten die Experten der EIU für Kenia einen Wert von (nur) -3,3% (Quelle: The Economist Intelligence Unit).

Die kenianische Regierung hat versucht, neben der Einführung von Präventions- und Sicherheitsmaßnahmen die mit der Pandemie einhergehenden negativen Folgen für die Wirtschaft und Einkommen mit makroökonomischen Maßnahmen abzumildern. Bereits Ende April verabschiedete diese ein Gesetz mit Steuererleichterungen und direkten Einkommenshilfen, berichtet die Anwaltskanzlei Rödl & Partner in Kenia.

Das Gesetz reduzierte die Lohnsteuer von 30% auf 25%. Bruttogehälter bis umgerechnet 200 € wurden von der Lohnsteuer gänzlich befreit. Auch die Körperschaftsteuer wurde von 30% auf 25% gesenkt; der Mehrwertsteuersatz von 16% auf 14%. Für ältere Menschen, Waisen und andere schutzbedürftige Mitglieder der Gesellschaft stellte die Regierung, laut der Anwaltskanzlei Rödl & Partner in Kenia, zusätzlich Mittel in Höhe von 10 Mrd. Shilling bereit (ca. 78 Mio. €).

Da Kenia mit einem Bruttosozialprodukt von ca. 95 Mrd. USD und einer Bevölkerung von ca. 52 Mio. (Quelle: Weltbank) immer noch ein Entwicklungsland ist, stehen der Regierung selbstverständlich nicht die Mittel zur Verfügung, über die ein reiches Industrieland wie Deutschland verfügt. Zum Vergleich, Deutschlands Bevölkerung von ca. 83 Mio. erwirtschaftete in 2019 ein Bruttosozialprodukt von 3.435 Mrd. Euro (Quelle: Statistisches Bundesamt)!

Makroökonomische Zahlen sind sicherlich wichtig, verschaffen aber nur eine pauschalisierte Sicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse in einem Land, aggregiert aus einer Vielzahl von Daten aus unterschiedlichen Regionen und Branchen.

Verständlicherweise interessiert uns vor allem wie es der Solarbranche in Kenia, insbesondere in ländlichen Regionen, geht. Das lässt sich aus volkswirtschaftlichen Zahlen nicht gut ablesen. Wir haben daher einige Unternehmen im Land direkt gefragt, wie sie die Pandemie erleben und wie sie mit den vielen Herausforderungen umgehen.

Im Folgenden haben wir die Erfahrungen von Bidhaa Sasa, Pawame und Sanergy für Sie zu einem aktuellen Lagebericht zusammengefasst, der konkrete Eindrücke von Akteuren vor Ort vermittelt, aber selbstverständlich weder Anspruch auf Repräsentativität, noch auf Vollständigkeit erhebt.

Herausforderungen der Solarbranche in Kenia

Ende März schränkte die kenianische Regierung die Bewegungsfreiheit ein, verbot jegliche Versammlung von Menschen und verhängte ein nächtliches Ausgangsverbot. Für die Mitarbeiter von Bidhaa Sasa, das seinen Vertrieb von Cooking Stoves und Solar Home Systems auf Kundentreffen mit 5 bis 6 Teilnehmern ausgerichtet hat, bedeutete das ab den 1. April die komplette Einstellung des Verkaufs, erklärte uns die Geschäftsführerin Rocío Perez Ochoa.

Sanergy, das in städtischen Gebieten die Entsorgung von Fäkalien und anderer organischer Abfälle betreibt, hat dagegen seine Aktivitäten nicht einstellen müssen. Ganz im Gegenteil, betont Geschäftsführer Ani Vallabhaneni, diese Aufgabe gewann in Zeiten erhöhter Hygienevorschriften noch mehr an Gewicht und wurde von der Regierung ausdrücklich als eine für Kenia wesentliche Dienstleistung von den Einschränkungen ausgenommen.  Ausgenommen sind übrigens auch Unternehmen wie Pawame, das Solar Home Systeme vertreibt und seinen Kunden gleichzeitig einen Ratenkredit anbietet.

Die Einführung und Umsetzung der Ausgangs- und Versammlungsverbote führten bei der Bevölkerung zu einer starken Verunsicherung. Dabei fürchteten die Kunden weniger die Infektionsgefahr an sich, als die mit den Verboten einhergehenden Einkommensverluste, berichtete uns Laura Sundblad von Pawame. Ihre Aussage wird von aktuellen Meinungsumfragen unterstützt.

Die meisten Kenianer gehen ihren Geschäften außerhaus nach. Im April und Mai war dies nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich. Entsprechend stark hat in großen Teilen der Bevölkerung die Kaufkraft gelitten, sowie die Fähigkeit fällige Kreditraten zu bedienen.

Davon betroffen war auch Bidhaa Sasa, das sich sogar veranlasst sah, seinen Kunden im Mai die fällige Rate zu stunden. Rocio erklärt, dass dies den Cash Flow des Unternehmens natürlich zusätzlich belastet hat. Sie verteidigt die Maßnahme damit, dass die Stundung von den Kunden als ein starker Akt der Solidarität in schwierigen Zeiten empfunden wurde, der sich nach Wiederaufnahme der Geschäfte mehr als ausgezahlt hat:  Im Juni konnte das Unternehmen mit mehr als 4.000 verkauften Artikeln den bisher höchsten Umsatz seiner Geschichte verbuchen!

Alle drei von uns befragten Unternehmen haben ihre Geschäftsabläufe an die pandemischen Umstände angepasst. Sicherheitskonzepte für Produktion und Vertrieb wurden erarbeitet und umgesetzt. Bei Pawame z.B. arbeiten die meisten Mitarbeiter der Zentrale in Nairobi im Home Office, mit Ausnahme der Beschäftigten in der Warenauslieferung.

Bidhaa Sasa verteilt seit Wiederaufnahme der Vertriebsaktivitäten bei der Auslieferung und Einweisung in die Produkte gratis eine Maske und ein Stück Seife an seine Kunden. Sanergy hat sich darüber hinaus zwei national übergreifenden Marketingkampagnen angeschlossen, die das Ziel verfolgen, die Akzeptanz von Social Distancing und Hygienemaßnahmen bei der Bevölkerung zu erhöhen.

Sorgen bereitet die Entscheidung der Regierung, die bisher geltenden Befreiungen von der Mehrwertsteuer, von der auch die Solarbranche profitierte, aufzuheben. Über die Ausführungsbestimmungen herrscht allerdings noch große Unklarheit. Unklar ist ebenfalls, wie sich die Einführung der Mehrwertsteuer von derzeit 14% auf die Nachfrage auswirken wird. Klar ist, dass Kenia in absehbarer Zukunft der absatzstärkste Markt für Solarprodukte in Afrika bleiben wird.

Was stimmt zuversichtlich?

Die von uns befragten Unternehmen sind erleichtert, dass sie die Covid-19 Heraus-forderungen ohne Entlassungen von Mitarbeitern überstanden haben. Der Rückgang von Vertriebsprovisionen, der unter normalen Bedingungen einen großen der zu zahlenden Mitarbeitergehälter ausmachen, hat die negativen Effekte auf Betriebsergebnisse und Cash Flow zudem abgemildert.

Auch die Probleme mit Lieferketten hielten sich bei unseren Unternehmen in Grenzen. Pawame hat nichtdestotrotz Geschäftsbeziehungen zu einem zweiten internationalen Lieferanten geknüpft, der im Gegensatz zu seinen Konkurrenten auch in Kenia umfangreiche Vorratslager unterhält.

Als Anfang Juni die Sicherheitsmaßnahmen endlich gelockert wurden, hatte sich laut Rocio Perez Ochoa bei Kunden von Solarprodukten ein ansehnlicher Nachholbedarf angestaut, den es nun zu bedienen galt. Zudem hat die angespannte Lage der verfügbaren Haushaltseinkommen dem Unternehmen neue Kunden beschert: d.h. viele Käufer, die vor der Pandemie auf Kredite verzichten konnten, sind heute auf die angebotenen Ratenkäufe angewiesen.

Die Pandemie hat weitere positive Effekte hervorgebracht. Einen beschreibt Laura Sundblad wie folgt: „Wer mehr Zeit zuhause verbringt, braucht zu Hause mehr Komfort“. Bei Pawame führte das zu einem merkbaren Nachfrageschub, insbesondere bei Fernsehern.

Metropolen meiden

Bei der Bewältigung der Covid-19 Herausforderungen hat Pawame und Bidhaa Sasa geholfen, dass Sie überwiegend in ländlichen Gebieten operieren, die weniger stark von Infektionsfällen betroffen sind.  Auch die durch Bewegungseinschränkungen bedingten Einkommenseinbußen fallen in den agrarisch geprägten Regionen milder aus als in den Metropolen Mombasa und Nairobi, die zwischenzeitlich und auf Anordnung der Regierung sogar komplett für Ein- und Ausreisen geschlossen wurden.

Die Schließung der beiden Metropolen bescherte Bidhaa Sasa unerwartet einen weiteren Nachfrageschub: Viele junge Städter hätten kurz vor der Schließung die Metropolen verlassen und seien zurück zu Ihren Eltern und Verwandten aufs Land gezogen. Für derart viele hungrige Münder waren die kenianischen Mütter und Großmütter nicht angemessen ausgerüstet! Nachgerüstet wurde bei Bidhaa Sasa: Insbesondere gasbetriebene Kochherde seien derzeit gefragt.

Ausblick

Nachdem sie die Herausforderungen der letzten Monate meistern konnten, blicken Sanergy, Pawame und Bidhaa Sasa nicht ohne Zuversicht in die Zukunft. Man traut sich zu, auch weitere Wellen der Pandemie zu überstehen. Die Bevölkerung in Kenia ist zudem krisenerprobt und hat in der Vergangenheit auch in widrigsten Umständen stets eine hohe Widerstandsfähigkeit an den Tag gelegt. Ein Motto der Nation lautet wohl: Man lässt sich nicht unterkriegen.

Mut macht auch der Ausblick für die zweite Jahreshälfte. In den ländlichen Regionen mit vorwiegend agrarischer Produktion sind die Monate September bis November, in denen die Ernte eingefahren wird, die Einkommensstärksten und Umsatzreichsten. Die Landwirte erwarten in diesem Jahr für Kenia übrigens eine gute Ernte, die Gottseidank von der Heuschreckenplage, die andere afrikanische Länder heimgesucht hat, weitestgehend verschont wurde.

Laura Sundblad ist für die Zukunft hoffnungsvoll gestimmt. Für die weitere Expansion von Pawame sieht sie langfristig vor allem ein wichtiges Hemmnis: Die Vorfinanzierung der einzukaufenden Waren verläuft seit Eintritt der Covid-19 Pandemie immer noch sehr zäh…Da wünsche sie sich mehr Auftrieb!