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Fynn berichtet: Smog und erneuerbare Energien in Indien

Fynn arbeitet derzeit für bettervest beim Indo-German Energy-Program – Access to Energy in Rural Areas (IGEN-ACCESS) in Indiens Hauptstadt Neu-Delhi. Mit Unterstützung der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) arbeitet er zum Thema Crowdfunding für erneuerbare Energien in Indien und berichtet hier von seinen Erlebnissen. HIER findet ihr außerdem seinen ersten Blogbeitrag. 

 

Seitdem ich am 19.10 in Neu-Delhi angekommen bin, gab es vor allem ein Thema: Die Luftverschmutzung. Der Zufall wollte, dass ich genau in der Diwali-Nacht ankomme. Diwali ist das bedeutendste hinduistische Fest und von der spirituellen und sozialen Bedeutung her ähnlich wie das Weihnachtsfest der Christen. In Nordindien ist Diwali zudem der Neujahrstag und wird ähnlich wie Silvester, mit viel Feuerwerk gefeiert.

 

Wenn in einer Stadt wie Delhi, die auch ohne Feuerwerk mit gravierender Luftverschmutzung zu kämpfen hat, die mehr als 20 Millionen Einwohner auf die Idee kommen Raketen und Böller zu zünden, dann führt das dazu, dass man vor lauter Rauch keine 20 Meter mehr sehen kann. Tatsächlich war die Sicht in der Nacht so schlecht, dass ich Schwierigkeiten hatte, meine Wohnung zu finden. Es braucht dann einige Tage, bis sich der Diwali Rauch lichtet. Ein leichter Dunst bleibt jedoch dauerhaft in den Straßen hängen, denn Diwali fällt auch in die Jahreszeit, in der Bauern rund um Delhi ihre Felder abbrennen. Zusammen mit Industrie- und Autoabgasen, den Dämpfen von brennenden Mülldeponien und Staub von großen Baustellen führ das dazu, dass die Luftqualität im November und Dezember mit einem AQI (Air Quality Index) von über 300 dauerhaft als „Gefährlich“ eingestuft wird. Wobei Werte, die über den oberen Rand der Skala (500) hinausgehen, nicht selten sind. Eine von der Regierung gerne eingesetzte Gegenmaßnahmen ist dann z.B. das „Odd-Even-Scheme“, daher das Begrenzen der auf den Straßen zugelassenen Autos anhand des Nummernschilds. Zum Zeitpunkt dieses Blogbeitrages wurde das bereits zwei Wochen diskutiert aber immer wieder verschoben. Die ad hoc Luftqualität kann man übrigens auf einer Internetseite der U.S. Botschaft nachschauen.

 

Der Vergleich: Die Luftqualität in Neu-Delhi vor, während und nach Diwali zeigt, wie wichtig erneuerbare Energien in Indien sind.
Der Vergleich: Die Luftqualität in Neu-Delhi vor, während und nach Diwali.

 

Nun aber genug vom rum Gejammer, denn neben der Luftverschmutzung gibt es hier noch ein zweites Thema, welches einen dauerhaft umgibt: erneuerbare Energien. Und das liegt weniger daran, dass sich im Büro des IGEN-ACCESS jeder auf die ein oder andere Weise mit dem Thema beschäftigt, sondern weil ein ganzes Land gemeinsam und unter Hochdruck an einer gigantischen Energiewende arbeitet.

 

Trotz der mannigfaltigen Herausforderung, mit denen sich Indien als sogenanntes „Schwellenland“ gleichzeitig konfrontiert sieht, hat es eine Vorreiterrolle in Sachen erneuerbare Energien eingenommen. Im Zentrum seiner Bemühungen steht der Nationale Aktionsplan zum Klimawandel (National Action Plan for Climate Change, NAPCC), welcher den massiven Ausbau der Stromerzeugung aus variablen regenerativen Energien wie Sonne, Wind, Biomasse und Kleinwasserkraft vorsieht. Die installierte Leistung netzgebundener RE-Anlagen soll von ca. 46 Gigawatt (09/2016) auf 175 GW (2022) ansteigen. Der NAPCC ist zudem integraler Bestandteil von Indiens national festgelegten Beiträgen im Rahmen des Pariser Klimaabkommens (National Determined Contributions, NDC). Tatsächlich ist Indiens Beitrag zum Pariser Klimaabkommen so ambitioniert, dass er sogar mit dem 2°C Ziel kompatibel ist. Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, schaffen bisher nur die wenigsten Länder. Allen voran verfehlen die Industrienationen die vereinbarten Ziele der Weltklimakonferenz.

 

Mit dem zu Beginn 2015 ausgerufenen Vorhaben 175 GW Erneuerbare in Form von 100 GW Solar, 60 GW Wind, 10 GW Biomasse und 5 GW Wasserkraft bis 2022 ans Netz zu bringen, versucht Indien übrigens in weniger als zehn Jahren, wofür Deutschland mehr als zwei Jahrzehnte gebraucht hat.

 

Trotz der Starken Bemühungen in Sachen erneuerbare Energien in Indien hat das Land noch einen weiten Weg zu gehen. Denn es ist nach den USA, China und der EU mit 2,3 Milliarden Tonnen CO2/Jahr der viertgrößte CO2 Emittent (2014) der Welt. Die Stromerzeugung hat mit ca. 727 Mio. Tonnen den größten Einzelanteil daran und die Emissionen steigen rasch an. Die Installierte Gesamtleistung des indischen Kraftwerksparks beträgt 309 Gigawatt (Deutschland 203 GW). Der überwiegende Teil davon (69%) sind thermische Anlagen, zumeist Kohlekraftwerke. Der Druck, die Klimabilanz zu verbessern und gleichzeitig noch immer bestehende Defizite bei der Stromversorgung zu beseitigen – ca. 300 Mio. Inder haben keinen Zugang zu Strom – ist immens.

 

An dieser Stelle setzt IGEN-ACCESS an. Durch das Fördern von kleinen und mittleren Unternehmungen, die erneuerbare Energien Systeme zur Elektrifizierung ländlicher Gebiete anbieten, soll die Anzahl der Menschen ohne Zugang zu Elektrizität verringert, die Lebensumstände der ländlichen Bevölkerung verbessert und Einkommensmöglichkeiten geschaffen werden. Um das zu erreichen setzt das Programm an drei Stellen an: Durch die Unterstützung des Privatsektors und Innovationen, durch Zugang zu Finanzierung und durch die Unterstützung des öffentlichen Sektors.

 

Das Team von IGEN-ACCESS führt dabei eine ganze Reihe hochinteressanten Projekte durch, wie z.B. mit Solarwasserpumpen, effizienten Kochherden, Microgrids, Inkubationszentren für Entrepreneure aus dem Bereich erneuerbare Energien in Indien sowie auch mit Crowdfunding Plattformen. So arbeitet IGEN-ACCESS mit der indischen P2P-Lending Plattform Lytyfy zusammen. Lytyfy hat sich auf die Finanzierung von Solar-Home-Systemen spezialisiert und ermöglicht durch Crowdlending Menschen unterhalb der Armutsgrenze den Zugang zu erneuerbarer und sauberer Elektrizität. bettervest passt hervorragend in die zweite Ebene „Zugang zu Finanzierung“ und hat mit den aktuellen Crowdfunding Projekten für Mera Gao Power und Boond Engineering gleich zwei Projektinhaber, die auch der GIZ für ihre gute Arbeit bereits bestens bekannt sind.

 

Bei der Elektrifizierung der 300 Millionen Menschen, die bisher noch nicht an das öffentliche Stromnetz angeschlossen sind aber auch bei der Versorgung der entlegenen Ortschaften, die bereits an das zumeist unzuverlässige öffentliche Netz angeschlossen sind, kommt dezentralen Analgen wie Micro- und Minigrids eine besondere Bedeutung zu. Denn es ist nicht die Verfügbarkeit oder der Preis des Stroms, der den Traum des Universal Access to Energy  – den Indien bereits für die frühen 2020er Jahre plant – behindert, sondern der Preis für den Anschluss und die Wartung der Infrastruktur. Dezentrale Lösungen haben hier einen klaren Kostenvorteil: So geht Power4All davon aus, dass der Anschluss ans öffentliche Netz im Schnitt 50x mehr kostet, als die Versorgung mit dezentralen Lösungen basierend auf Photovoltaik. Ein Durchschnittswert macht hier natürlich nur bedingt Sinn, eignet sich aber dennoch um einen der Hauptvorteile von dezentralen Lösungen aufzuzeigen. Trotz dieser Erkenntnis geht der überwiegende Anteil an Finanziellen Mitteln, der in die Elektrifizierung von zuvor nicht ans Stromnetz angeschlossenen Gegenden investiert wird, in die Erweiterung des öffentlichen Netzes. Lediglich 1 % der Investitionen gehen direkt in dezentrale Lösungen. Die Finanzierungslücke für Unternehmen die in diesem Bereich tätig sind ist groß, besonders hier in Indien. Banken scheuen die Kreditvergabe an solche Unternehmen zumeist, weil keine In-House Expertise zu den zahlreichen Technologien vorhanden ist. Um dem entgegenzuwirken, führt IGEN-ACCESS immer wieder Workshops mit Bankangestellten durch, um das Verständnis der zahlreichen Technologien zur dezentralen Energieversorgung und die damit zusammenhängenden Chancen und Möglichkeiten, aber auch die Risiken, besser zu verstehen.

 

Crowdfunding stellt hier eine Möglichkeit dar, diese Finanzierungslücke zu verkleinern. Besonders solange lokale Banken Investments in Projekte zur dezentralen Energieversorgung scheuen. Auch die GIZ hat dieses Potential erkannt, was die Kooperation zwischen bettervest und der GIZ in Nigeria zeigt.

 

Um uns selber ein besseres Bild von solchen Projekten zu machen, haben wir vergangene Woche Microgrid-Projekte von unseren Projektinhabern Mera Gao Power und Boond Engineering besucht. Beide Unternehmen haben in Kooperationen mit einigen der renommiertesten Universitäten der Welt eigene Systeme zur dezentralen Energieversorgung entwickelt, die sich bereits in der Praxis bewährt haben. Unsere Eindrücke von den Besuchen werden wir euch in den folgenden Blogbeiträgen genau schildern! Also habt ein Auge auf unser Magazin.

Beste Grüße aus Neu-Delhi

Fynn